Mattensplitter

NRW-Jugend auf dem Vormarsch

Geschrieben von Thomas Meyer

Lange Zeit hatte unser Verband im Bereich des männlichen Nachwuchses eine Durststrecke durchgemacht. Über einige Jahre spielten wir auf nationaler Ebene keine bedeutende Rolle mehr, so dass DM-Medaillen und/oder vordere Platzierungen Mangelware blieben. Ringer aus NRW galten bei ihren Gegnern als dankbares Los. Und um sich diese Situation noch einmal vor Augen zu führen, muss man gar nicht lange zurückdenken. Im Jahr 2014 beispielsweise war man von den Deutschen Greco-Jugendmeisterschaften mit einer einzigen Silbermedaille durch Tim Stoll zurückgekehrt, sodass Landestrainer Björn Holk feststellen musste, dass „unsere Sportler den Athleten aus den führenden Landesverbänden ... weit hinterher hinken, was die taktischen als auch die physischen Fähigkeiten angeht“.

Doch dies ist glücklicherweise Geschichte. Unsere Jungs sind auf dem Vormarsch. Der Wendepunkt kam 2015 und wurde vom KSK Konkordia Neuss eingeleitet, der mit dem Gewinn der Deutschen Schüler-Mannschaftsmeisterschaft für den ersten, aber noch lange nicht letzten Paukenschlag sorgte. Der KSK war es schließlich auch, der dem RV NRW bei den Deutschen B-Jugend-Einzelmeisterschaften (Greco) maßgeblich zum Sieg in der Mannschaftswertung verhalf. Dieter Kapsch vom KSV Gütersloh hatte damals dem Südbadener Freistil-Landestrainer Dominik Groß, dem Bruder unserer Ex-Internationalen Stephanie Groß, diesen Coup bereits prophezeit. Die Reaktion darauf war die vorsichtige und gleichermaßen verdutzte Frage, ob Dieter dies tatsächlich ernst meine. In Anbetracht der Vorjahresergebnisse konnte man ihm diese Frage wirklich nicht verdenken. Doch Dieter sollte Recht behalten.

Und die Erfolge des KSK rissen keineswegs ab. Mittlerweile wurden bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften im Nachwuchsbereich zwei weitere Titel sowie zwei Vizemeisterschaften geholt. Viele DM-Einzelmedaillen (z.B. 2017 bei der B-Jugend Greco alleine fünf goldene) und internationale Erfolge (z.B. EM-Silber durch Samuel Bellscheidt 2018) ergänzen die überragende Erfolgsbilanz der Konkordia.

Doch wäre es ein grober Fehler und anderen Clubs gegenüber unfair, die Neusser als einzigen Erfolgsgaranten unseres Verbandes zu sehen. Gerade in den letzten beiden Jahren ist mit dem AC Mülheim 92 ein weiterer Senkrechtstarter in unseren Reihen, der 2017 und 2018 bei Deutschen Mannschaftsmeisterschaften eine Gold- und zwei Bronzemedaillen gewinnen konnte. Außerdem landeten vier Ringer des Clubs bei den nationalen Meisterschaften 2018 auf dem Treppchen. Da viele Top-Nachwuchsringer aus der Domstadt im Schnitt ca. zwei Jahre jünger sind als die aus Neuss, setzte die Entwicklung hier etwas zeitversetzt ein und lässt daher für die nächsten Jahre noch einiges erwarten.

Es mag bei diesen tollen Erfolgen erstaunlich klingen, doch hat sich Günter Tabel, Mitglied des erfolgreichen AC-Trainerstabs, ein sportliches Vorbild aus den Reihen des Ringerverbandes Nordrhein-Westfalen gesucht: Als solches nämlich bezeichnete er kürzlich noch den KSV Germania Krefeld. Schließlich hat der KSV das Kunststück fertig gebracht, aus eigener Talentschmiede eine schlagfertige Oberligatruppe auf die Beine zu stellen. Und das mit Jungs, die auch bei Einzelmeisterschaften sehr erfolgreich waren – exemplarisch seien der mittlerweile abgewanderte Sohayb Musa als Deutscher Vizemeister 2016 oder die Gebrüder Häffner und Bolakhrif genannt. Den Erfolg bis zu den Männern bzw. in die Vereinsmannschaften hinüberzuretten wie die Krefelder, muss der AC erst einmal schaffen. Er ist jedoch auf einem sehr guten Weg, diesen Schritt in den nächsten Jahren sukzessive machen zu können.

Wenn man über erfolgreiche Jugendarbeit spricht, muss man unweigerlich neben den drei bereits erwähnten noch weitere Vereine nennen. Der TV Essen-Dellwig beispielsweise konnte ebenfalls außerordentlich schlagfertige Teams bei den Landesmannschaftsmeisterschaften aufbieten. Die Schüler wurden Zweiter, lediglich durch den späteren Deutschen Meister aus Mülheim besiegt. Die Jugendlichen brachten es sogar fertig, den Mülheimern deren einzige Niederlage in diesem Kalenderjahr beizubringen. Hinzu kommen tolle Ergebnisse bei Einzelwettbewerben. Ramsan Awtaew als 5. Junioren-Weltmeister oder Ertugrul Agca, der trotz seiner Jugend mit Bronze von den Deutschen Männermeisterschaften zurückkehrte, sind vielleicht die prominentesten Vertreter.

Gewohnt stark präsentiert sich aktuell auch der KSV Witten 07, der bei nahezu allen Turnieren eine gute Rolle spielt. Noah Englich als Deutscher Jugendmeister, die Gebrüder Eigenbrodt oder auch Andreas Zenger – um nur eine Auswahl an Namen zu nennen – stehen für eine nach wie vor erfolgreiche Arbeit des Traditionsvereins.

Erfreulich ist, dass sich mit dem PSV Lippe-Detmold und dem TKV Hückelhoven auch zwei vermeintlich „kleine“ Vereine voll etabliert haben. Nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene konnten sie sich schon in die Siegerlisten eintragen. Detmold mischte auch bei den Deutschen Jugend-Mannschaftsmeisterschaften kräftig mit und wurde immerhin Achter.

Positives könnte man beispielsweise auch aus Herdecke, Aldenhoven, Bielefeld, Lünen-Süd, Hohenlimburg, Rheinbach, Hürth, Ückerath oder Kirchlinde berichten. Diese Vereine besitzen entweder eine beachtliche Breite, durchleben einen klaren Aufwärtstrend oder haben einzelne Top-Ringer ihrer jeweiligen Altersklasse in ihren Reihen. Nicht zu vergessen der TV Eintracht Walheim, dessen Eigengewächse auch im Männerbereich immer wieder nach vorne stoßen. Belebt wird unser Sportbetrieb zusätzlich sehr durch die Sportfreunde aus Belgien und den Niederlanden wie den starken Ringern aus Utrecht.

Die tolle Arbeit unserer Clubs wird unterstützt durch unseren engagierten Landestrainerstab, an dessen Spitze Leistungssportkoordinator Ayhan Aytemiz steht. Durch die regelmäßigen und gezielten Maßnahmen zur Förderung unserer jungen Athleten haben auch sie einen beachtlichen Teil zum Aufschwung beigetragen.

Es regt sich also einiges in NRW. Ziele müssen jetzt sein, die Teilnehmerzahlen bei Turnieren vielleicht noch zu steigern und mittelfristig auch im Männerbereich eine Spitzenposition zurückzuerobern. Das ist mit viel Arbeit verbunden, doch unser Nachwuchs lässt hoffen. Freuen wir uns auf die kommenden Jahre, die ereignis- und erfolgreich werden könnten!